Inflationsdaten im Blick

Liebes Mitglied,

wer sich mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, der weiß, dass „Tora, Tora, Tora“ das Angriffs-Signal war für die japanischen Jagdflieger beim Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941. Daran erinnerte ich mich, als ich neulich den neuesten Reorganisations-Plan der Citigroup las, der „Operation Bora Bora“ genannt wird.

Citigroup CEO Jane Fraser hat weder die Margen erhöhen noch die Gewinnziele erreichen können. Auch die Ziele im Hinblick auf die Eigenkapitalrendite wurden nicht erreicht. Fraser ist eine totale Fehlbesetzung im Management-Board. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis der Citigroup-Aktie liegt bei miserablen 0,49 und damit nur bei ungefähr der Hälfte des Branchen-Vergleichswertes (und bei einem Drittel des Wertes von JPMorgan).

Und nun wird Fraser darauf reduziert, das zu tun, was alle tun, wenn sonst nichts mehr geht – Kosten senken. Und Kosten senken heißt im Banksektor Leute entlassen. Citigroup hat 240.000 Angestellte. Die endgültigen Zahlen sind noch nicht draußen, aber es könnte hier um bis zu 10 Prozent weniger Angestellte gehen, das heißt 24.000 Entlassungen. Da wird es nicht nur um Rezeptionisten gehen, sondern es werden auch Investmentbanker und regionale Manager entlassen werden.

Ich selbst arbeitete früher bei der Citigroup. Angefangen habe ich 1976 und verließ die Gruppe 1985 als Senior Officer. Damals hatten wir als Ziel für die Eigenkapitalrendite 15 Prozent – und wir haben oft bessere Werte geschafft. Das Ziel von Jane Fraser ist es, nach der Umsetzung der Maßnahmen auf 11 Prozent zu kommen.

Ich wünsche der Citigroup alles Gute, aber ich kann es keinem Investor verdenken, wenn er der Aktie fernbleibt. Und was die Angestellten der Citigroup betrifft: Wenn die Entlassungspläne konkret werden, dann sollte die Ankündigung eher „Tora, Tora, Tora“ heißen als „Operation Bora Bora“.

Ich bin froh, dass wir mit dem Depot statt auf die Citigroup-Aktie auf den US-Energiekonzern Chevron setzen.

Und damit gebe ich das Wort an meine deutsche Redaktion.

Ich wünsche Ihnen nur das Beste,

Jim Rickards


Die Zinsangst ist vom Tisch

Diese Woche gab es ein Ereignis, das unserer Ansicht nach zentral für das Verständnis der aktuellen Börsenlage ist: Die Inflationsdaten.

Zunächst zu den Fakten:

In den USA sind die Konsumentenpreise (CPI = consumer price index) im Oktober gegenüber dem Vormonat unverändert geblieben. Im Vergleich zum Vorjahresmonat war das ein Plus von 3,2 Prozent.

Die sogenannte Kernrate stieg im Oktober um 0,4 Prozent und 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Damit lag die Inflation unter den Erwartungen – denn die von Reuters befragten Volkswirte hatten prognostiziert, dass die Konsumentenpreise um 0,1 Prozent gegenüber dem Vormonat und 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat steigen würden.

„So what?“ könnten sich nun manche denken, denn auf den ersten Blick klingen die Zahlen wenig dramatisch. 0,1 Prozentpunkte unter den Erwartungen, schön und gut, was soll das groß ändern?

Ganz einfach: Die Unsicherheit über den weiteren Zinskurs der US-Notenbank ist nun schlagartig weg!

Das zeigt sich sehr schön an einem Tool, das wir Ihnen für solche Fälle empfehlen: Das frei zugängliche CME FedWatch Tool. Hier wird angezeigt, wie hoch die Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit für eine Änderung der US-Leitzinsen bei der nächsten Fed-Sitzung einpreisen.

Und sehr kurz nach Bekanntgabe der genannten Inflationszahlen sprang der Wert auf 100 Prozent (!) Sicherheit in Bezug auf die nächste Fed-Sitzung, mit dem Ergebnis: Die Fed wird die Zinsen unverändert lassen.

VOR Bekanntgabe der US-Inflationsdaten war noch keineswegs völlig klar, ob die Fed ihren Zinserhöhungszkylus abgeschlossen hat. Wie Jim bereits im Vorfeld betont hatte: Das war durchaus wahrscheinlich – aber die Fed hielt sich sozusagen ein Hintertürchen offen.

Nun, da die jüngsten Inflationszahlen so ausfielen, dass im Dezember keine Zinserhöhung mehr nötig ist, ist dieses Thema für viele Marktteilnehmer „abgehakt“. Und damit ist das ganze Thema „Zinserhöhungszyklus“ abgehakt.

Gewiss, Zinssenkungen stehen so schnell nicht auf der Agenda. Aber die Märkte schauen voraus und ab ca. Mitte 2024 könnten durchaus Zinssenkungen anstehen.

Für den Moment entscheidend: Der Zinserhöhungszyklus ist abgeschlossen und das wurde und wird nun an den Märkten eingepreist.

Das ist der Grund dafür, dass der US-Dollar unter Druck geriet (je höher die Zinsen, desto tendenziell attraktiver der US-Dollar). Und das ist auch der Grund dafür, dass die Börsen weltweit nach den US-Inflationsdaten in einen Bullenmodus wechselten.

Der S&P 500 konnte nach den Inflationsdaten einen Tagesgewinn so stark wie seit April nicht mehr vorweisen. Der Russell 2000, der die Entwicklung von Nebenwerten abbildet, stieg sogar um über 5 Prozent. Die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen sackte um über 20 Basispunkte nach unten. Im Gegenzug stieg z.B. der chinesische Yuan signifikant an.

Denn natürlich sind Anleihen eine Konkurrenz zu Aktien – und wenn die Leitzinsen in den USA nun nicht weiter steigen, dann wird diese Konkurrenz nicht noch härter. Aktien können wieder ihre Stärken ausspielen.

Aus diesem Grund halten wir es durchaus für möglich, dass die Märkte kurzfristig noch einige Zeit im Bullenmodus bleiben werden. Das könnte durchaus mit einer Jahresend-Rallye Hand in Hand gehen.

Wir positionieren uns allerdings nicht grundsätzlich im Hinblick auf einen längeren Bullenmarkt. Denn Belastungsfaktoren wie Lieferkettenproblematik, Energieversorgung und Preissteigerungen bei einzelnen Rohstoffen bleiben bestehen.

Aus diesem Grund sehen wir uns mit den derzeit zwei offenen Positionen im Depot gut positioniert. Denn da sind wir „long“ – aber nicht im Hinblick auf den Gesamtmarkt, sondern gezielt auf einen US-Energietitel, der uns überzeugt.


Special Situation Depot


Position Chevron Aktie:
Chevron ist das zweitgrößte Öl-Unternehmen in den USA. Pro Tag werden hier ca. 3 Mio. Barrel Öl-Äquivalent produziert. Was uns gut gefällt: Die Produktion ist geographisch diversifiziert (Nordamerika, Südamerika, Europa, Afrika, Asien und Australien).
Die Raffinerien von Chevron in den USA und Asien haben eine Kapazität von insgesamt ca. 1,8 Mio. Barrel Öl pro Tag.

Aktuell baut Chevron seine Positionierung aus, durch die Übernahme der Hess Corp.
Steigende Preise für Erdöl sollten direkt den Gewinn von Chevron erhöhen, weil die Förderkosten kurzfristig nicht so stark schwanken.

Übrigens: Chevron zahlt üblicherweise quartalsweise Dividenden. Die vorherige Dividendenausschüttung lag bei 1,51 US-Dollar und erfolgte am 9. November. Wir sind am 14. November eingestiegen und damit auf Kurs für die nächsten 1,51 US-Dollar Dividende. Das ist ein nettes Zubrot – die eigentliche Phantasie kommt aber durch Kursgewinne, die bei steigenden Energiepreisen anfallen sollten.

Ein Closing der Übernahme der Hess Corp. könnte zudem für eine positive Grundstimmung im Hinblick auf die Aktie sorgen. Unsere Empfehlung lautet daher: Halten.

Position Chevron Turbo Long:
Es handelt sich hier um die spekulativere Variante zum direkten Kauf der Aktie. Dieses Turbo Long-Zertifikat hebelt die Kursentwicklung der Chevron Aktie mit einem Hebel von aktuell knapp 11. Der Hebel wirkt natürlich in beide Richtungen.

Dieser Schein hat einen Vorteil gegenüber herkömmlichen Optionsscheinen, denn es gibt keine Laufzeitbegrenzung. Dafür sollten Sie das Risiko kennen: Wenn der Aktienkurs von Chevron die K.O.-Schwelle erreichen würde, würde der Schein wertlos verfallen. Die K.O.-Schwelle liegt derzeit bei 130,42 US-Dollar und kann im Zeitablauf steigen (womit sich der Emittent seine Finanzierungskosten reinholt).

Die Position hat sich nach dem Kauf bereits gut entwickelt, wie Sie dem Screenshot entnehmen können. Aufgrund des hohen Hebels und der damit potenziell hohen Schwankungen während eines Handelstages verzichten wir auf einen Stoppkurs für diese spekulative Position. Auch hier lautet unsere Empfehlung: Halten.

Mit den besten Wünschen für Ihre Trades!

Ihre

Deutsche Redaktion, Jim Rickards Special Situation Trader